Göttingen, 13.06.2018  |  Am 13. Juni fand in Kooperation mit der PFH Private Hochschule Göttingen zum Semesterabschluss eine Sonderveranstaltung zum Thema “Quo vadis Europa?” statt. Die von etwa 50 Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden besuchte Diskussion fand zum ersten Mal in englischer Sprache statt. Das Format eines gesellschaftspolitischen Diskurses erwies sich aus Sicht der Teilnehmer als überaus geeignet, um die kontroversen und offenen Fragen dieses aktuellen Themas zu erörtern.

Die zweimal pro Jahr stattfindenden Gesellschaftspolitischen Diskurse an der PFH beschäftigen sich mit aktuellen, aber in der Gesellschaft kontrovers diskutierten Themen. In den Veranstaltungen werden die Standpunkte, Meinungen und Argumente aller Teilnehmer in den Mittelpunkt gerückt. Das Ziel besteht darin, die Meinungen anderer kennenzulernen, eigene Standpunkte zu formulieren, vorzutragen, zu reflektieren und möglicherweise zu modifizieren. Jede Veranstaltung beginnt mit einem kurzen Impulsreferat, um eine Grundlage für die allgemeine Diskussion zu schaffen.

Das Thema „Quo vadis Europa? European Economic and Political Integration in Times of Populist, Nationalist Movements and International Tensions” erwies sich angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen auf europäischer und globaler Ebene als dringlich und stieß auf lebhaftes Interesse. Nach einem studentischen Impulsreferat diskutierten die Schülerinnen und Schüler zahlreiche Facetten der europäischen Integration im Spannungsfeld zwischen globalen Herausforderungen und nationaler Abschottung.

Dabei standen zunächst die Probleme der Europäischen Union (EU) und des Integrationsprozesses im Vordergrund. Es wurden Demokratiedefizite identifiziert und beklagt und daraus folgende Vertrauensverluste in die europäischen Strukturen, Politiker und Bürokraten. Besonders betonten die Schülerinnen und Schüler die wachsende Unsicherheiten infolge von Brexit und möglichen Grexit- oder Italexit-Szenarien, der anhaltenden Wirtschafts- und Finanzprobleme der Flüchtlings- und Migrationskrise. Zudem wurden vor allem die politischen, ökonomischen und kulturell-historischen Unterschiede der EU-Länder sowie die komplexe und kaum durchschaubaren Entscheidungsstrukturen in EU-Gremien als weitere Problemfelder ausgemacht.

Dennoch waren sich die Teilnehmer einig, dass die EU zahlreiche Vorteile aufweise, die es zu erhalten gelte. Dazu zählt insbesondere die Erhaltung des Friedens in Europa und darüber hinaus, die Durchsetzung von Subsidiarität und Solidarität, die Bereitstellung von öffentlichen Gütern in Europa, die Sicherung des Gemeinsamen Marktes und somit der Grundlage für Wohlstand und Entwicklung und nicht zuletzt die globale Rolle, Einfluss und Verantwortung, welche Europa nur mit Hilfe der EU übernehmen kann.

In der Abwägung der Probleme und Vorteile der EU argumentierten die Teilnehmer, dass die EU notwendig sei, um Frieden zu erhalten, Wohlstand zu schaffen und eine als gerecht empfundene Politik zu gewährleisten. Gleichzeitig müsse die EU reformiert werden und den Nationalstaaten und Regionen seien gemäß des Subsidiaritätsprinzips mehr Eigenverantwortung zu übertragen, aber ohne den Solidaritätsgedanken aufzugeben. Gerade in Zeiten von Populismus und nationalistischen Strömungen muss die EU als mehr erscheinen als die Summe ihrer Nationalstaaten. Ohne EU ginge es nicht, aber die Union muss Vertrauen neu aufbauen und politische Lösungen liefern. Dabei sollten Reformen der EU eher graduell angelegt sein, um Bürger und Unternehmen nicht zu überfordern und um die nationalen und regionalen Strukturen zu stärken, sodass auch vor Ort die Kapazitäten aufgebaut werden könnten, um EU-Hilfen effektiv zu verwenden. Nicht zuletzt wurde eine gerechte Lastenverteilung unter den EU-Ländern angemahnt.

Die EU zu stärken, gerade in Zeiten von Populismus und Nationalismus, erschien allen Teilnehmern der Diskussion als zentrale Forderung – gerade auch angesichts der aktuellen Probleme, die sich in Konflikten zwischen Kulturen, dem Aufstieg neuer Mächte wie China und Indien sowie neuen Bedrohungen durch Trumponomics oder der möglichen Zerstörung des Multilateralismus zeigen.